Freitag, 27. Juli 2007

Eine Reise, die ist lustig...

... warum also nicht auch zwei Reisen machen? Wenn ich schonmal in Korea bin, bietet es sich durchaus an, die nunmehr stark verringerte Distanz zu einem Haufen Vulkangestein mitten im Meer zurückzulegen, um meinen großen Bruder zu besuchen.

Mir boten sich zwei Optionen: mit dem Fährschiff oder mit dem Flugzeug. Nachdem nur das 350-Mann-Dritte-Klasse-keine-Betten-oder-Stühle-Zimmer aufgrund der niedrigen Reisekosten gegenüber dem Flug von Vorteil gewesen wäre, hatte ich mich für letzteres entschieden. Aber es war unmöglich, einen direkten Flug von Busan nach Narita (Tokyo) zu bekommen, der unterhalb 600.000 Won lag!!! ("Yes, we have holiday season." - Und was macht der durchschnittliche Koreaner im Urlaub? Richtig. Er fliegt auf eine asiatische Insel, auf der eigentlich alles fast genauso ist, wie zu Hause...)

Die Lösung: ein Flug von Busan nach Osaka und von dort mit dem Shinkanzen (DER Schnellzug in Japan, wobei die Betonung auf "schnell" liegt, verehrte Deutsche Bahn) weiter nach Yokohama. Das war in Summe tatsächlich immer noch günstiger als der Direktflug.

Wenn man dann schonmal am Planen ist, sucht man sich natürlich auch schnell eine Verbindungsauskunft für den Weg vom Flughafen zu den entsprechenden Stationen heraus, um vor Ort dann wenigstens etwas zu haben, worauf man mit dem Finger deuten kann.

Am 27. in der Früh war es dann soweit (früh heißt 0600h): Ms. Park hat mich aufgesammelt, um mich zum City Bus Terminal zu bringen (welches ich ansonsten mit Sicherheit nicht rechtzeitig gefunden hätte). Lustigerweise fahren vom City Bus Terminal die Stadtbusse und die Intercity Express Busse ab. Es gibt aber noch ein Express Bus Terminal, von dem fahren dann die Stadtbusse und die Intercity Express Busse... ach, egal. Die Erklärung habe ich nicht verstanden, weil sie auch nichts mit meiner Frage zu tun hatte.

Etwa zwei Stunden später dann die Ankunft am Gimhae Airport in Busan. Der Bus hält, der Busfahrer ruft etwas, zwei Leute steigen aus dem randvollen Bus aus, der Rest bleibt sitzen. Ich: "Hä?" Wohlgemerkt, der Flughafen ist Endstation, es wäre also nicht sinnvoll, auf die Weiterfahrt zu warten, ganz abgesehen davon, daß selbst der Busfahrer nun ausgestiegen ist. Immer noch steigt sonst niemand aus. Ich begann, mich selbst zu fragen, ob das riesengrosse Schild auf dem Gebäude, welches da lautet "Gimhae Airport" vielleicht nur Werbung ist, aus Versehen dorthin gesetzt wurde, es noch einen zweiten Flughafen mit dem gleichen Namen gibt (es gibt ja auch unzählige Mr. Kim)... aber ich nahm meinen Mut zusammen, sprang aus dem Bus und stand direkt vor der Abflughalle. Noch immer stieg niemand sonst aus...!?

In der Abflughalle suchte ich die Check In-Schalter der Korean Air und reihte mich in die Schlange ein. (Eine von vielen Menschenschlangen, die ich das Wochenende über sehen sollte...) Während ich so in der Menge wartete, fiel mein Blick auf die vielen Hinweistafeln, die denselben Plastiktüten-Wahnsinn andeuteten, den man schon aus Europa und den Staaten kennt. Oje! Mein Bruder sagte mir, daß dieser Wahnsinn noch nicht die Japanischen Inseln erreicht hatte, ich ging also davon aus, daß entsprechende Vorkehrungen nicht für den Hinflug notwendig sein würden. Fehlanzeige! Da ich mit leichtem Gepäck reiste (Laptop-Rucksack und kleine Tasche), hatte ich nicht vor, irgendwas davon am Check In aufzugeben (man erinnere sich an den in Frankfurt verschwundenen Koffer... und mit nur einer Hose wollte ich nicht noch 5 Wochen zubringen, denn meine Kleidergröße ist hierzulande... unüblich).

Jetzt hatte ich aber das Problem, gefährliche Substanzen nicht in durchsichtige Plastiktüten verpackt mit mir zu führen: Killer-Colgate-Mango-Breeze-Zahnpasta und Flamethrower-adidas-action-3-Fresh-Deo!!!


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An dieser (überzogenen) Darstellung ein kleiner Einwurf: ich bringe Verständnis dafür auf, daß die Sicherheit aller Personen an Bord des Flugzeuges gewährleistet sein soll. Schließlich bin ich direkter Nutznießer dieser Tatsache. Ich bezweifle jedoch, daß der ganze Touristen-Terrorismus der nun an den Flughäfen stattfindet, wirklich die Gefahr eines Anschlages bannen kann... dazu nur ein Beispiel: an einem kleinen, aber feinen Flughafen findet derselbe Terror statt - Röntgen, Abtasten, Metalldetektor, Röntgen, Abtasten, Metalldetektor, Einschmelzen von Nagelfeilen, Vernichtung von Zahnpasta und erneut Röntgen, Abtasten, Metalldetektor. Und das nur, wenn man in der Mittagspause eine Wurstsemmel kaufen gehen möchte!!! Auf der anderen Seite der Rollbahn befindet sich ein kilometerlanger, ein Meter hoher Zaun, vollkommen unbewacht. Nun, wo wird der Herr Terrorist wohl aufs Gelände kommen?!?
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Da ich also jene Substanzen mit mir führte, entschloss ich mich kurzerhand, doch eine Tasche aufzugeben. Also, schnell niedergekniet und einige Sachen vorher noch umgeräumt.

In der Halle vor dem Gate wurde ich (während ich in ein "leckeres" Sandwich biß - puh...) von einem anderen Reisenden angesprochen, der gerade den Text auf einem Blatt auswendig zu lernen schien. Der gleichaltrige Koreaner wandte sich verzweifelt an mich, damit ich ihm die Aussprache des einen oder anderen englischen Wortes nennen konnte, denn schließlich sei ich ja Amerikaner... (Seufz!) In der Tat lernte er den Text auswendig, es handelte sich dabei um die zu erwartenden Durchsagen des Captains an Bord des Fluges nach LA. (??? Ohne Worte ???)

Einen unspektakulären Flug später stand ich nun in Osaka - an der Immigration. Und stand. Und stand. Und zwei Stunden später (eigentlich wollte ich mir Osaka noch kurz anschauen, denn mein Bruder konnte mich erst abends abholen!) kam ich schon an die Reihe. Die zuvor ausgefüllte Immigration Declaration war jedoch unvollständig! Die Adresse meiner Bleibe in Japan stand nicht drauf!

Intermezzo: Nehmen wir an, jemand reist für sein Leben gerne mit einem Rucksack auf dem Rücken planlos durch die Gegend und kommt in diversen günstigen Hostels oder Motels unter, bucht also keinesfalls im Voraus, wie soll ein solcher jemand jemals in andere Länder reisen, wenn er NATÜRLICH keine Adresse seiner Unterkunft im Voraus angeben kann?

Nun, ich war kein Rucksacktourist, sondern ich wollte bei meinem Bruder unterkommen. Aber die Adresse konnte ich beim besten Willen nicht auswendig (das eine oder andere chinesische Zeichen besteht ja aus bis zu 16 Strichen, die hatte ich mir einfach nicht merken können). Es war aber kein wirkliches Problem, denn bei der Immigration hat man ja vollen Zugriff auf alle Einwohnermeldedaten (ich hoffe nur, daß die PCs auch kennwortgeschützt sind!?) und der Name meines Bruders ist nun in Yokohama auch nicht soooo häufig anzutreffen. Einzig die Verwunderung des Immigration Officer darüber, daß mein Bruder nun wirklich keinen "Middle Name" hat, konnte ich nicht nachvollziehen.

Die letzten Hürden standen bevor: das Gepäck einsammeln und durch Customs hindurch. Beides erwies sich als problemlos. Denn Murphy hatte andere Pläne mit mir...

In der Haupthalle des Flughafens erspähten meine Augen ein Hinweisschild mit der Aufschrift "Tourist Information". Da es das einzig englischsprachige im Moment zu sein schien, hielt ich darauf zu, um in Erfahrung zu bringen, von wo der Bus losfährt, der mich laut meiner zuvor ausgedruckten Auskunft zum Bahnhof Shin-Osaka bringen sollte. Die Mitarbeiterin am Tresen schüttelte jedoch nur den Kopf und erklärte mir, hier gäbe es keine Busse. Wie? Keine Busse? Ja, es sei der falsche Flughafen. Wie? Der falsche Flughafen? Bin ich nicht am Flughafen Osaka? Ja, aber es ist der falsche Flughafen. ... ... ...

Nun, ungünstigerweise hat Osaka zwei Flughäfen: Itami und Kansai. Darauf hatte ich natürlich nicht geachtet... es war aber kein Problem, denn im Gegensatz zum Itami Airport befindet sich in Kansai eine direkte Zugverbindung zu Shin-Osaka!

Darüberhinaus ist Kansai direkt auf dem Wasser, was zu einer herrlichen Aussicht beim Landeanflug führt (und zu der Frage: "Kommt da noch 'ne Rollbahn?").



Das Zugticket war leicht und schnell im Japan Railways Ticket Office erworben (dort sprach niemand Englisch, aber "Shin-Yokohama" und ein Dackelblick hatten vollkommen ausgereicht).



Mit dem Haruka Express nach Kyoto war ich in 1 1/2 Stunden in Shin-Osaka und konnte dort, dank der Aufschrift meines Zugtickets, welches englische Unterschriften enthielt, den richtigen Shinkanzen auch ausfindig machen. Hättet Ihr (des Japanischen Mächtige ausgeschlossen) sofort gewußt, daß hier der Nozomi 28 nach Tokyo über Shin-Yokohama um 1530h losfährt?



Der is' scho schnell. Ausserdem hatte ich zufällig das Vergnügen, mit dem brandneuen (seit 1. Juli 2007 verkehrenden) Shinkanzen N700 zu fahren!



Nach 2 1/2 Stunden auf dem Mülleimer (tjaaaa... so eine Sitzplatzreservierung ist schon was Feines... für diejenigen, die eine haben) erreichten wir Shin-Yokohama. Dort sollte ich laut meinem Bruder nicht den Bahnhof verlassen, aber durch das West Gate rausgehen. (Auch hier wieder mein beliebtes: Hä?) Ehrlich, ich habe wirklich versucht, nicht den Bahnhof zu verlassen UND gleichzeitig durch das Westtor herauszugehen. Die Phrase "Doko nishi guchi?" (Wo Westtor?) ließ einen von mir zuerst befragten Wächter (ein anderer Begriff fiel mir nicht ein für jemanden, der in neongrün gekleidet, mit neonorange verziert und leuchtendrotem, zu kurz geratenen Lichtschwert in der Ecke steht) in einen Redeschwall ausbrechen - auf japanisch (ja was denn sonst?). Meinen Blick möchte ich in diesem Moment nicht gesehen haben, er führte jedoch dazu, daß mein Gegenüber abrupt unterbrach und mich sehr verwundert ansah. Bei seinen Reden deutete er aber in eine Richtung, und ich nahm an, daß ich dorthin gehen müsse.

Dabei geschah es! Ich verließ den Bahnhof! Aber auch hier teilte mir einer der Passanten auf die wiederholte Phrase von zuvor mit (zumindest nehme ich das an), daß ich hier am Westausgang sei.

Mein Bruder hatte soetwas jedoch wohl schon vorgeahnt (woher nur?) und mit mir einen alternativen Treffpunkt ausgemacht - die goldenen Arkaden!

Glücklicherweise entdeckte ich sie bei ein paar Photographien am vermeintlichen Westausgang. Na? Wer kann sie noch sehen?



Es war jedoch gar nicht so leicht, dorthin zu kommen, da der gesamte Bahnhof sich gerade im Umbau befindet. Umso größer war die Freude, als ich die scheinbar einzige Person, die einen Integralhelm, Handschuhe und Motorradjacke in ganz Japan trägt, auf seiner zweirädrigen Rosinante zur Rettung herannahen sah. Auf, auf, Don Quijote!!!

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ROFL
Man merkt das du mit BigAl verwandt bist!
Ein köstlicher Bericht!

Zu der Shinkansen Anzeigetafel.. nun ja ein wenig Geduld führt hier meistens zur Englischsprachigen Auflösung ;-)
OkOk es gibt an ein paar einsamen Ecken auch nur japanische Anzeigen.

PS
Es ist übrigens möglich die Sitzplatzreservierung auch im Zug nachzukaufen, kostet (Oh wunderbares Dienstleistungsland) nicht mehr als die vorherige.
Das funktioniert natürlich nur wenn im reservierten Bereich auch wirklich noch was frei ist (Aber die Jungs im Zug sind hilfsbereit!)

Darkman hat gesagt…

*g*
Zumindest in Wort und Schrift glaubt man uns also, daß wir Brüder sind... (die Standardphrase: "Ihr seid doch nicht verwandt, oder?")

Oh, ich bin ertappt... dabei wollte ich doch angeben, wie toll ich bin, daß ich den Zug dennoch gefunden habe... aber die Tafel hat tatsächlich immer wieder Romanji angezeigt.

Zu Deinem PS: Oh. Hätt' ich das nur gewußt! (Aber ich glaub', es war eh zu voll...)

Anonym hat gesagt…

@michael hess
wie recht er hat, an der Art zu Schreiben würde Glucke ihre Eier unter Millionen wieder herausfinden. Gröl, gackert weiter so drauflos und laßt uns wissen was sich bei Euch tut, meine flüggen Kücken.

Anonym hat gesagt…

Wenn einer eine Reise tut... oder auch zwei. Was für eine herrliche Odyssee! Nachdem wir ja nun wissen, dass du ganz und einem Stück wieder zurück im koreanischen Domizil bist, macht es umso mehr Spass, mit dir mitzufahren, sozusagen. Bitte weiter so - ich habe schon lange nicht mehr so breit geschmunzelt, dass die vor Aufregung trockene Kehle mittels eines ehemals colaextrakthaltigen Getränks zu benetzen beinahe schiefgegangen wäre... ROFLMAO, um Michaels Kommentar noch zu enhanzen.

Anonym hat gesagt…

...die scheinbar einzige Person, die einen Integralhelm, Handschuhe und Motorradjacke in ganz Japan trägt...

Das stimmt nicht. Ich trage das nur auf dem Roller und nicht in ganz Japan. Gut, ab und zu die Protektorenjacke in der Wartschlange bei McDonald's, wenn ich dorthin mit dem Roller gefahren bin. Dann stehe ich aber immer ganz vorne. Und hinter mir lauter Japaner, die "Angst, Angst" fluestern...

Darkman hat gesagt…

... dichtauf gefolgt von einem Fingerzeig und dem Ausruf "Helm, Helm!" oder "Burger, Burger!"

Anonym hat gesagt…

Mensch Meier, warum biste denn mit dem Haruka nach Osaka gefahren und nicht gleich in Kyoto aus- und in den Shinkansen umgestiegen? Der Umweg kostet doch mindestens 'ne Stunde extra!