Sonntag, 29. Juli 2007

Toyota Museum

Der Weg war weit, der Weg war beschwerlich, vor allem, wo doch keiner von uns Japanisch kann... halt! Moment! Handzurrende Begleitung ist doch Japanerin und mein Bruder bemächtigt sich der Sprache zunehmends!?! Warum war es dann nur so schwer, den richtigen Weg zur richtigen U-Bahn-Haltestelle und die richtige Linie zum nächsten Objekt der Besichtigungsbegierde zu nehmen?

Während meinem Bruder die Verzweiflung, handzurrender Begleitung die angestrengte Ratlosigkeit und mir ein Blick in weite, weite Ferne (Tilt!) ins Gesicht geschrieben standen, kam ein Japaner des Weges. Genauer gesagt, stürmte er direkt auf uns zu (ich fühlte mich furchtbar an den Zwischenfall im Shinkanzen erinnert (ein Posting zuvor...)). Kurz vor uns machte er halt und versuchte uns armen Touristen zu helfen, woraufhin ihm handzurrende Begleitung und mein Bruder klarzumachen versuchten, daß sie beide des japanischen mächtig sind (und es sich wohl eher um einen dieser klassischen, harmlosen Pärchendispute handelt: "Da lang!" - "Nein, da lang!" - "Warum da lang?" - "Weil Du da lang willst!" - Manches ist einfach wirklich kulturell universell...)

Schließlich kam auch noch der U-Bahn-Haltestellen-Aufsichtsofficer-vom-Dienst (wie nennt man die?) aus seinem Kabinchen heraus, schlenderte drei, vier Runden um uns herum, bis er sich ein Bild von der Situation in seiner U-Bahn-Haltestelle gemacht hat, ging zurück in seine Kabine (gab wohl kurz per Funk noch durch, daß er einen "drei-sechsundfünfzig" an seiner Haltestelle hat - Auszug aus der offiziellen U-Bahn-Haltestellen-Officer-Situations-Code-Tabelle: Code 356 "Pärchen, bestehend aus Japanerin und Gaijin, hilf- und ahnungslos in verdächtiger Begleitung (Bruder) an der U-Bahn-Haltestelle gefangen) und brachte uns daraufhin den U-Bahn-Fahrplan in Faltblattausführung. (Naja, wir standen direkt vor dem riesigen Fahrplan an der Haltestelle...)

Doch ich nutzte die Zeit, wenigstens noch einen Schnappschuß von einem der interessantesten Blumentopfgestelle, an einem noch interessanteren Ort zu machen...



Wir schafften es doch noch, das Toyota Museum zu erreichen. Toyota? Der mit den Autos? Genau der Toyota! Doch, wie es für asiatische Firmen scheinbar üblich ist (siehe Der Fall Möhrchen, und ähnliches in Bezug auf Unternehmen habe ich auch hier in Korea ausmachen können) hat Toyota mit allem anderem angefangen, als mit Autos... seine Errungenschaft waren vollautomatisierte Webstühle und Maschinen zur Baumwollverarbeitung!

Und in diesem Haus fing das Imperium mit einem Zeichenbrett an...



... der Erfolg bescherte ihm bereits nach ein paar Jahren einen Anbau im "Garten" des zuvor gezeigten Hauses.



Der Erzählung nach hatte Toyota eine der halbautomatischen Webmaschinen eines deutschen auf einem Schiff mitreisenden Handelsvertreters gesehen und wollte ebenfalls eine solche Maschine haben. Das war der Beginn inniger japanisch-deutscher Handelsbeziehungen, die für beide Seiten so weitreichend waren, daß uns an diesem Punkt eine Frage durch den Kopf ging: "Was stand nochmal in den achso tollen deutschen Geschichtsbüchern über die Allianz Japan und Deutschland im WK II?!?" Richtig. Eigentlich nichts... könnten wirtschaftliche Gründe wohl hauptsächlich zugegen gewesen sein?

Die geschichtliche Entwicklung des Unternehmens konnten wir im Museum betrachten, daher an dieser Stelle einfach wieder ein paar Impressionen:















Beim Anblick dieser Maschinerie gerieten die Neurotransmitter handzurrender Begleitung wieder in Bewegung... "Musik! Musik!"



Tja, und wenn ein Unternehmen so richtig boomt, dann erhöhen sich die Nettoinvestitionen und es expandiert. Doch warum sollte man das Kerngeschäft um naheliegende Geschäftsfelder erweitern? Das wäre zu einfach... (gewissermaßen ist es eine geniale Eigenschaft der asiatischen Unternehmen: selbst im Falle des Versagens eines Geschäftszweiges, sei es durch globale Probleme der Sparte, Versagen der Firmenpolitik oder Katastrophen, existieren noch davon vollkommen unabhängige Geschäftsbereiche, sodaß das Unternehmen praktisch nicht unterzukriegen ist!) Kurzum, Toyota fing an, das zu bauen, wofür man ihn in Europa kennt: Automobile.

Es ist schon beeindruckend, wie mit einem Holzmodell als Grundlage das Metall der Karosserie in Handarbeit so bearbeitet werden kann, ...



... daß es danach auf einem Gestell montiert wird und am Ende ...



... ein solches Aussehen bekommt!





Aber die Tour war noch lange nicht vorbei, auch wenn wir aufgrund der fortgeschrittenen Zeit leider nicht mehr alles sehen konnten. (Museen machen sehr früh zu, also meist zwischen 1600h und 1700h, denn dann wird es ja dunkel und gefährlich... laut einer Erzählung meines Bruders geht man auch mittags oder nachmittags ins Kino, die letzten Filme (für die Mutigen oder Lebensmüden) laufen wohl bis 2000h!)









Dieses futuristische Vehikel ist aus einer Designstudie über zukünftige Krankenfahrstühle entstanden. Tatsächlich entspricht es mit seinem Anblick und dem Eindruck von High-Tech vielleicht eher den Erwartungen an dieses fremde Land, die man im alltäglichen Leben (vergeblich) zu erfüllen sucht...









Dieser nette Roboter hat uns auf Knopfdruck einmal eine Karosserie zusammengebaut und verschweißt (natürlich nicht wirklich, der Schweißvorgang wurde durch rote LEDs angedeutet). Unser Erstaunen über die volle Funktionstüchtigkeit sämtlicher Maschinerie im Museum war nicht gering. Denn alle ausgestellten Gerätschaften waren voll einsatzbereit und entsprachen teilweise aktuellen Produktionslinien. In deutschen Firmenmuseen und -ausstellungen bekommt man zumeist doch nur ein paar Bildchen auf einem hübschen Plakat zu sehen, wie etwas sein könnte...



Tatsächlich hat einer der im Museum Beschäftigten extra für uns im Vorführraum die Eisenpresse angeworfen, um uns Zylinderpleuel in Echtzeit herzustellen! (In der Tat werden die Motorenteile gepresst und nicht gegossen! Ingenieure mögen nun ein "Ooh!" von sich geben.) Eine solche Presse (nicht die für uns verwendete) ist hier zu sehen. Man beachte das klitzekleine Schwungrad. Die Erschütterungen beim Betrieb der Maschine waren durch die gesamte Halle zu SPÜREN!



Hier einmal die zugehörigen Rohlinge und Formen für die Presse, ...



... sowie das fertige Produkt.



Auch in den anderen Ausstellungsräumen wurden wir vielfach angesprochen, die Maschinen wurden eingeschaltet und es wurde mit Händen und Füßen versucht zu erklären, was wir gerade sehen (so etwa einen vollautomatischen, auf einem Luftstrom basierenden Fadenrückholer für High-Tech-Webstühle aus dem Hause Toyota).

Leider wurde just in diesem Moment der Betrachtung der gewaltigen Metallpresse auch schon die Musik eines uns allen wohlbekannten rosaroten Raubtieres eingespielt und wir begaben uns in Richtung Ausgang.

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